Versuchsanordnung

Unter dem Titel «Versuchsanordnung» treffen sich in der Ausstellung vier künstlerische Positionen, die sich auf je eigene Weise mit kulturellen oder wissenschaftlichen Referenzsystemen beschäftigen. Fragen der Geologie und Topografie, der Architektur und des Städtebaus wie auch Untersuchungen skulpturaler und malerischer Parameter stehen im Zentrum des künstlerischen Interesses. Dabei rücken unter dem zeitgenössischen Blick unter anderem auch Krisensituationen und Strategien zu deren Bewältigung ins Sichtfeld. Suchprozesse, vielschichtige Fragebewegungen, mehrdeutige Antwortversuche und künstlerische Gestaltungsexperimente bringen stabilisierte Selbstverständlichkeiten in Desorientierung, zeigen aber auch auf inspirierende Weise das Schöne im (anscheinend) Ungeordneten.

Vielgestaltige und weite Assoziationsfelder ringt Andreas Frick (*1964, Basel) in der Abstraktion fotografischer Motive den Oberflächen und Strukturen von Landschaften ab: Mit fein gestimmten schwarz-weiss Zeichnungen, Druckgrafiken und Lichtarbeiten setzt er geologische und topografische Begebenheiten ebenso poetisch wie präzise ins Bild. Dabei werden Grösseneinordnungen unberechenbar, Zeit und Raum wird in Dimensionen erahnt, die sich Menschen kaum mehr vorstellen können.

Eva Maria Gisler (1983, Bern) untersucht und vermisst ebenfalls räumliche Situationen: Sie setzt mit fotografischen und bildhauerischen Mitteln dekontextualisierte architektonische Fragmente in ihrer Funktionslosigkeit oder -erweiterung in körperbezogenem Massstab zueinander in Beziehung. Diese entwickeln im Gegensatz zu realen Konstruktionselementen in provisorischer Setzung in Baukastenmanier mobile, modellartige wie auch fragile Eigenschaften und befragen auf diese Weise die Vokabularien unserer gebauten Welt. Dieses findet sie notabene auch auf malerisch anmutenden Bauschutthalden.

Mit Architekturfragmenten und Bauschutt befasst sich auch Nicole Michel (*1984, Bern). Aus medial orchestrierten Trümmerbildern formiert sich in grossformatigen Collagen globale Fragilität. Das Auge kann sich kaum festhalten, der Blick schrammt an zerborstenen Säulen und aufgetürmten Hausgerippen vorbei. Versehrtes scheint auch in der in Heften geführten, fortlaufend wachsenden Sammlung von Zeitungsbildern allgegenwärtig zu sein. Das individuelle wie das kollektive Schicksal und die Wucht der Zerstörung inszeniert sich in der Neukombination in ästhetisch faszinierenden Suchbildern und schafft Anlass zu neuen Interpretationsmöglichkeiten zivilisatorischer Prozesse.

Sadhyo Niederberger (1962, Aarau) sucht und überschreitet Grenzen von Bildern und befragt damit die Voraussetzungen der Malerei und deren reichhaltige Geschichte. Sie experimentiert mit fliessenden Farbflecken, filigranen Fäden, feinen Rissen oder Verwerfungen des Bildgrundes und kreiert aus Falten, Netzen, Farbtropfen oder mit der Sprengung von Rahmen «Bildzüchtungen», wie sie einen Teil ihrer Werke nennt. Diese beginnen da und dort ein Eigenleben zu entwickeln und schicken sich an, historische Diskurse und Praktiken der Malerei umzustülpen.

Die vier Kunstschaffenden Andreas Frick, Eva Maria Gisler, Nicole Michel und Sadhyo Niederberger schaffen in Versuchsanordnung Erkenntnisgrundlagen der anderen Art. In künstlerischen Suchprozessen werden eigenwillige Sammlungen, alternative Archivierungssysteme, neue Versuchsaufstellungen getestet, um gesellschaftliche Problemstellungen in Diskussion zu bringen.